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Kenia: Die Big Five der Reiseprivilegien

Was kommt dir als erstes in den Sinn, wenn du an Kenia denkst? Viele Tourist_Innen verbinden das Land mit einer Safari, ganz besonders mit den Big Five.

Der Begriff wurde von Großwildjägern geprägt. Es handelt sich bei den Big Five also nicht unbedingt um die größten Tiere. Stattdessen ist die Jagd auf sie am gefährlichsten. Die Big Five sind Elefant, Löwe, Büffel, Leopard und Nashorn.

Mein Leben in Kenia hat erstmal nicht so viele Berührungspunkte mit diesen Tieren. Mein Alltag findet jenseits des Zaunes vom Nationalpark statt und ich bin auch ganz froh, dass die Big Five hier nicht einfach so herumspazieren.

Für meinen Vortrag bei JourneyStamps wollte ich die Zuhörer_Innen aber doch da abholen, wo sie stehen. Wenn jemand aus Kenia berichtet, darf doch ein bisschen Safari-Flair nicht fehlen, oder? Also habe ich die Big Five als Symbole für unsere Reiseprivilegien genommen.

Die meisten Kenianer_Innen selbst haben die Big Five noch nie zu Gesicht bekommen, weil sie keinen Zugang zum teuren Nationalpark haben. Sie können die Schönheit und Eindrücklichkeit der Natur ihres Landes, für die Menschen aus aller Welt einfliegen, nicht erleben oder erfahren.

Als Reisende ist es wichtig, diese Reiseprivilegien und Unterschiede im Zugang mitzudenken, denn das ist der erste Schritt zur Änderung. So können wir uns entsprechend vorbereiten und uns so verhalten, dass unsere Reise zumindest weniger negative Auswirkungen hat und eventuell sogar Begegnungen entstehen, von denen alle Seiten profitieren.

Ich habe also immer ein Tier mit einem bestimmten Reiseprivileg gleichgesetzt, erzähle eine dazu passende Reisegeschichte von mir und gebe ein paar Tipps, wie du deine Reise entsprechend vorbereiten kannst, damit sie verantwortungsvoller und achtsamer wird.

Inhaltsverzeichnis

Disclaimer: Reiseprivilegien

Bevor es losgeht, möchte ich noch einen Disclaimer setzen: Wenn wir uns mit unseren Reiseprivilegien auseinandersetzen, ist das ein erster Schritt, aber das reicht bei weitem noch nicht.

Es geht darum, die Privilegien zu hinterfragen, herauszufordern und im Idealfall auf eine Gesellschaft hinarbeiten, wo keiner mehr Privilegien hat – oder eben alle die gleichen.

Wenn ich mein Privileg nutze und es “für etwas Gutes” einsetze, maße ich mir erstens immer noch die Deutungshoheit darüber an, was gut ist und was nicht. Und zweitens ist das Privileg dadurch noch immer nicht geteilt.

Sehr gut erklärt das auch Margherita von FairForce Consulting:

(Zur Zeit versuche ich zum Beispiel, ein Visum für Deutschland für meinen Mann zu bekommen. Ich bin weiß, schreibe auf deutsch und kann bestimmte finanzielle Mittel nachweisen, die von seiner Seite nicht einfach so gelten. Trotzdem bleibt es für ihn und alle Kenianer_Innen unendlich schwerer, nach Deutschland zu reisen, als es für uns Deutsche in Kenia ist.)

(Edit und Update: Er hat sein Visum NICHT bekommen.)

Lass uns also hier gemeinsam unsere Reiseprivilegien anschauen, und überlegen, wie wir diese teilen und verkleinern können, um den Zugang zum Reisen für alle zu ermöglichen.

🦁Der Löwe, meine Nachtblindheit und “Wie sicher ist Kenia eigentlich?”

Löwen sehen tagsüber genauso gut wie Menschen, nachts jedoch um ein Vielfaches besser. – Ich dagegen bin schon tagsüber ohne Brille ziemlich aufgeschmissen. Und nachts ist es wirklich schlimm. Ich sehe einfach so schlecht, und wenn mir Scheinwerfer entgegenkommen, kannst du meine Sehfähigkeit komplett vergessen.

Privileg und Befürchtung: Sicherheit

Meine Nachtblindheit ist nicht der Grund, warum ich mich hier in Kenia kaum draußen bewege, wenn es dunkel ist. Es ist die fehlende Sicherheit in unserer Wohngegend. Ich bin zwar keine Nachtschwärmerin, aber es bedeutet einfach eine Einschränkung, wenn man sich nicht zu jeder Tageszeit frei bewegen kann, wie und wo man möchte. Das gilt natürlich nicht nur für mich. Auch Kenianer_Innen werden spät abends hier in manchen Gegenden überfallen. Aber ich biete natürlich ein besonders attraktives Ziel und möchte mein Schicksal nicht unbedingt herausfordern.

Storytime: Wo die Kidnapper wohnen

Immer mal wieder nehme ich mir einen Tag frei vom Familienalltag, um einer meiner Lieblingsbeschäftigungen nachzugehen: lange Spaziergänge. Ich suche mir einen Punkt auf Google Maps aus und gehe hin. So auch diesmal. Ich wollte zu einem kleinen Bachlauf gehen und erreichte ihn relativ schnell. Also beschloss ich, ihm zu folgen. An der wohl schönsten Stelle hielt ein Motorrad-Taxi neben mir und der Fahrer sagte: “Du solltest da nicht entlang gehen!”

“Warum?”, fragte ich.

“Da ist es gefährlich.”

“Was gibt’s denn da?” fragte ich und dachte immer noch, er wollte mich vielleicht veräppeln oder mich dazu überreden, seinen Fahrservice in Anspruch zu nehmen.

“Kidnappers,” sagte er, grinste, drehte um und fuhr knatternd davon.

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Reiseprivilegien haben durchaus nicht immer Vorteile.

Mit dieser Information stand ich da erstmal eine Weile. Es stimmte schon, die Menschen, die an der Stelle vorbeikamen, nahmen die große, breite Straße, von der ich hergekommen war. Und die beiden Gestalten, die dann doch der angeblichen Kidnapper-Straße folgten, sahen ziemlich dubios aus. Nun wusste ich aber nicht, ob mir mein Gehirn das jetzt nur vorspielte, aufgrund der Info des Motorradfahrers oder ob sie wirklich komisch aussahen.

Frag die Locals!

Schließlich kam ein vertrauenswürdig aussehender Mann aus der Kidnapper-Straße und ich fragte ihn:

“Komme ich zur Bundesstraße, wenn ich diesem Weg hier folge?”

Zögernd antwortet er: “Ja…”

Ich bohrte nach: “Und ist es eine gute Idee, diesem Weg zu folgen?”

Er überlegte, druckste herum und sagte schließlich: “Nein, eher nicht. Die Leute, die da wohnen, haben ihren Job verloren und besorgen sich ihren Unterhalt jetzt auf kriminelle Art und Weise. Auch Kenianer_Innen werden dort regelmäßig überfallen. Erst letzte Woche ist ein Mädchen…

“Ok!” sagte ich und war überzeugt. Also ging ich mit ihm die große, breite, bevölkerte Straße entlang, wo es keine Kidnapper gab. Sehr schade, denn ich glaube, das hätte der schönste Teil meiner Wanderung werden können.

Reisevorbereitung: Sicherheit

Für Sicherheit auf Reisen habe ich zwei Tipps:

  1. Höre auf das, was die Menschen vor Ort dir raten und halte dich daran. Orientiere dich an ihrem Verhalten und verhalte dich ebenso.
  2. Höre zusätzlich auf dein Bauchgefühl. Wenn du dich nicht wohlfühlst, kehr um.

🐃Der Büffel, die Familie, das Individuum und alles dazwischen

Bei einem Angriff, zum Beispiel von einem Löwen, bilden die Büffel einen Schutzring um ihre Jungtiere. In der Herde helfen alle zusammen, um eine Gefahr abzuwehren.

Reiseprivileg: Individualismus

Es herrscht das gängige Vorurteil, in “Afrika” sei die Familie noch wichtig und spiele eine viel größere Rolle als in Deutschland. Die Familien haben dort ja angeblich auch einfach viel mehr Mitglieder. Ich kann das einerseits genau so bestätigen. Andererseits gibt es hier natürlich auch alle anderen denkbaren Familienkonstellationen neben der Großfamilie. Es gibt Menschen, die den Individualismus schätzen und leben. Und die angebliche hohe Gewichtung von Familienwerten hat auch ihre Nachteile.

Was mir in Kenia zum Beispiel ein bisschen fehlt, ist die Privatsphäre. Ständig kommt irgendein entfernter Verwandter vorbei, der natürlich auch anstandslos bewirtet wird und meine Pläne durcheinander schmeißt. Die Nachbarskinder gehen hier auch ein und aus. Alle erinnern sich immer an mich und wundern sich dann, dass ich den Namen der Großcousine der Frau des Onkels der Oma vergessen habe. “Das war doch die, bei der wir vor 15 Jahren mal zum Tee eingeladen waren…”

Und gleichzeitig wünsche ich mir nach wie vor eine Community von tiefen Freundschaften. Solche Menschen habe ich hier noch nicht so richtig gefunden oder getroffen und habe mir deshalb fest vorgenommen, daran zu arbeiten.

Storytime: Meine kleine Hochzeit mit nur über 250 Gästen

In meiner Wunschvorstellung waren bei meiner Traumhochzeit genau drei Menschen anwesend: mein Mann, ein Pfarrer und ich in einer kleinen Kapelle. Geworden ist es dann ein rauschendes Fest mit über 250 Gästen. Ich hielt mich aus der Planung raus und musste mich um nichts kümmern. Meine Schwiegermama und all meine Schwager und Schwägerinnen übernahmen das Kommando. Ich habe dann einfach meine Erwartungen und meine Ansprüche komplett abgegeben, und somit auch ein sehr schönes Fest genießen können, mit Chor im Gottesdienst, traditionellem Tanz beim Empfang, lecker Catering, musikalischer Untermalung und Wedding Cake in Gitarrenform. Ich wurde herzlich, fröhlich, laut und rührend als Teil dieser großen Familie aufgenommen. Dass das seine Vor- und Nachteile hat, und dass das nicht von jeder einzelnen Person in Kenia so gebilligt wird, habe ich oben schon beschrieben.

Reisevorbereitung: Extreme Klischees und alle Möglichkeiten dazwischen

Wie du siehst, ist die generelle Annahme, dass die Familie im afrikanischen Kontext sehr wichtig ist, genau das: eine sehr vage, generelle Annahme. Die klischeehafte “afrikanische Großfamilie” kontrastiert mit dem Konstrukt der “westlichen Kernfamilie”. Hier wird der Individualismus glorifiziert und als Norm gefestigt. Das Gegenteil davon, nämlich stereotype, tiefgehende Familienbande und Clanstrukturen sehen da eher problematisch und rückständig aus. So rechtfertigen die scheinbar “modernen”, “wohlwissenden” Kolonialmächte die Ausbeutung des afrikanischen Kontinents.

Wenn du dich auf Klischees und Stereotype konzentrierst, wirst du sie am Reiseziel auch vorfinden. Dabei läufst du jedoch Gefahr, all die anderen Facetten und Nuancen schlicht zu verpassen, die dort ganz selbstverständlich auch existieren.

  1. Mache als Übung also mal eine Liste von ein paar Extremen, die dir spontan im Zusammenhang mit deinem Reiseziel einfallen. (Zum Beispiel Indien: viele bunte Farben, anstrengendes urbanes Chaos, Müll, …)
  2. Und dann denk dir von jedem Extrem das genaue Gegenteil aus und notiere das auf der gegenüberliegenden Seite. (Zum Beispiel: graue Einfarbigkeit, entspannte ländliche Ordnung, Sauberkeit, …)
  3. Und jetzt zähle alle möglichen Facetten auf, die zwischen diesen Extremen auch noch möglich sind. Im Beispiel vom urbanen Chaos vs. ländliche Ordnung wären das Kleinstädte, Ordnung in der Stadt zum Beispiel in Parks oder in der Architektur, Entspannung in der Stadt, Chaos auf dem Land, Dörfer, gepflegte Vororte, usw.

Wenn wir die Möglichkeiten zumindest in Betracht ziehen, entschärfen wir die stereotypen Extreme, die wir unbewusst mit uns herumtragen, nach denen wir ebenso unterbewusst suchen werden und die wir dann reproduzieren.

🐘Der Elefant, Kommunikation und Sprache

Elefanten kommunizieren über Infraschall, in einem Frequenzbereich, den Menschen nicht hören können. So können sie sich über weite Entfernungen und in jeglichem Gelände auf sehr individuelle und differenzierte Art und Weise verständigen.

Reiseprivileg: “Weltsprache”

Es gibt ein paar Sprachen, die ursprünglich aus Europa stammen, die heute als Weltsprachen gelten. Wer sie spricht, hat im globalen Gefüge einige Vorteile. Mit der Einführung dieser Sprachen in den Kolonien wurden andere, lokale Sprachen marginalisiert. Wer heute Englisch, Französisch oder Spanisch spricht, bekommt Lob dafür. Kurdisch, Farsi, Quechua, Gujarati oder Polnisch zum Beispiel werden dagegen abgewertet.

Storytime: Ein Gänsehaut-Gespräch zwischen Elefantenherden

Mit 16 war ich vier Wochen in Südafrika, drei Tage davon im Bush Camp in der Nähe des Krüger Nationalparks. Bei einem Ausflug fuhren wir an ein ausgetrocknetes Flussbett. Hier, so erzählte uns der Ranger, tummelten sich besonders die alten Elefanten gern. Dort wächst viel Papyrus, der recht weich und einfach zu kauen ist, und das hilft den alten Elefanten, deren Mahlzähne irgendwann nicht mehr nachwachsen.

Wir stiegen aus und gingen an den Rand des Flussbettes, das aussah wie ein breiter Graben voller hellem Sand, in dem hier und da ein paar Papyrus-Inseln wuchsen. In zwanzig Meter Entfernung rechts von uns stand eine Elefantenherde. Ebenso in gleicher Entfernung nach links.

Ich beobachtete die grauen Körper, die sich sanft wie in Zeitlupe bewegten und manchmal mit den großen, weichen Ohren wedelten. Es war still und warm, und plötzlich bekam ich eine Gänsehaut. Ein leiser Schauer lief mir über die Schultern und die Oberarme. Dann noch einer über den Rücken. Es war ein angenehmes, friedliches Gefühl voller stiller Freude. Und mir wurde bewusst: Die Elefanten sprachen miteinander. Von einer Herde zur anderen. Signale flogen hin und her und ich stand mittendrin.

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Ein absolutes Reiseprivileg: Elefanten sprechen fühlen.

Reisevorbereitung: Sprache lernen

Es hilft immer, ein paar Wörter und Sätze in der Sprache deines Reiseziel zu lernen. Es ist allein schon ein Zeichen von Respekt gegenüber deinen Gastgeber_Innen. Du veränderst deine Perspektive, wenn du anerkennst, dass du wortwörtlich nicht alles verstehst, was um dich herum geschieht und gesprochen wird. Die Machtverhältnisse weichen vielleicht ein bisschen auf. Die Begegnungen werden ein klein wenig gleichwertiger und reziprok. Wenn du das im Kleinen bei dir beginnst, dann glaube ich fest daran, dass das auch auf interkultureller, globaler Ebene möglich sein kann.

🦏Das Nashorn, die Naturschutzdebatte und mein Haus

Nashörner sind wahrscheinlich noch ein bisschen blinder als ich. Es kann schon mal passieren, dass sie einen Baum oder einen Stein angreifen, weil sie denken, das sei ein Tier, das sie bedroht. Nashörner sind jedoch auch extrem gefährdet.

Reiseprivileg: Deutungshoheit

Wie schon beim Thema Familienwerte beschrieben, sind Einfluss, Macht und Normenvorgabe unterschiedlich auf dieser Welt verteilt. Scheinbar universell geltende Werte wie Demokratie oder die Nachhaltigkeitsziele basieren oftmals auf eurozentrischen Ideen. Während sie hochgelobt werden und als Beispiel dienen sollen, richten sie woanders teilweise mehr Schaden an und führen zu stärkerer Abhängigkeit.

Als weiße Reisende fühlen wir uns manchmal erfahrener und einfach schlauer als Menschen anderswo. Wir haben das so in unserer Sozialisierung eingetrichtert bekommen. Auch junge, unqualifizierte Freiwillige maßen sich regelmäßig an, nach einer Woche vor Ort die perfekte Lösung für ein scheinbares Problem zu haben. Doch uns allen fehlt Expertise und der kulturelle Einblick, um wirklich nachhaltige Lösungen anbieten zu können. Im Ernst: Eigentlich steht es uns nicht mal zu, uns diese Fähigkeit überhaupt zuzumuten.

Story Time: Der Besen

Ich beobachtete einmal einen Jungen aus Italien, der mit seiner Familie in einem Projekt an der kenianischen Küste mithalf. Viele Leute hier haben einen Besen, der aus akribisch zusammengebundenen Palmenblättern besteht. Auch der Knauf ist aus eben diesen Palmenblättern und um damit den Boden zu fegen, bückt man sich.

Der Junge, der sich aber nicht mehr bücken wollte – weil er es nicht gerade rückenschonend tat – nahm sich einen langen, dicken Stock.

“In Italien machen wir das so,” sagte er, und in seinem Gesicht las ich Gewissheit. Dann fing er an, den Stock in den Besenknauf zu bohren. Wir konnten ihn gerade noch stoppen. Er hätte den Besen sonst komplett kaputt und unbrauchbar gemacht.

Ja, wir nutzen Besen mit Stielen und müssen uns nicht bücken. Können wir aber bitte einfach trotzdem anerkennen, dass es anderswo einfach anders, aber genauso gut funktioniert? Besen mit Stielen sind nicht die ultimative weltweite Lösung für ein nicht vorhandenes Problem. Tatsächlich war das eigentliche Problem die falsche Handhabung, die falsche Rückenstellung.

Reisevorbereitung: Besserwisserei ablegen

Ich hatte geschrieben, das Nashorn sei stark vom Aussterben bedroht. Wer könnte also gegen Naturschutz sein? Gegen den Erhalt von gefährdeten Tieren?

Vielleicht die Menschen, die für die Erschaffung von Naturschutzgebieten vertrieben, verletzt und getötet wurden. Vielleicht diejenigen, denen ihre eigenen, nachhaltigen Praktiken abgesprochen werden, damit man ihnen dann sinnlose, im Westen entwickelte Lösungen präsentieren und aufdrücken kann.

Indigene Menschen schützen ihre Umgebung seit Jahrtausenden. Sie werden nicht selten dafür bestraft und verfolgt. (Eine Organisation, die darauf aufmerksam macht und für die Rechte der Betroffenen kämpft, ist Survival International.)

Erst wenn ein schwedisches Schulmädchen, das nicht unter den Folgen des Klimawandels leidet und unabsichtlich von der Ausbeutung natürlicher Ressourcen profitiert, beginnt zu demonstrieren, wird das einigermaßen salonfähig.

Beim Reisen müssen wir unsere Besserwisserei ablegen. Zunächst einmal müssen wir diese Attitüde dazu bei uns selbst aufspüren, uns selbst beobachten. Und dann geht es darum, uns eine offene Haltung anzueignen, damit wir gegenseitig voneinander lernen können und die hierarchischen Strukturen zumindest ein bisschen durchbrechen.

🐆Der Leopard auf dem Baum und die Macht der Bilder

Denke an einen Leoparden. Was macht der den ganzen Tag? Schau mal in die Bildersuche. Die suggeriert, dass Leoparden einen Großteil des Tages in Bäumen abhängen. Stimmt aber nicht. Selbstverständlich sind Leoparden die meiste Zeit ihres Lebens auf dem Boden und nur zu einem geringen Prozentsatz im Baum. Die Bilder suggerieren jedoch etwas anderes.

Reiseprivileg: Die Position hinter der Kamera ist eine Machtposition.

Diese gilt es verantwortungsvoll und kultursensibel zu nutzen.

Nach wie vor herrschen im Tourismus Machtverhältnisse, die auf der kolonialen Ausbeutung beruhen. Das System, von dem schon die Großwildjäger_Innen profitiert haben, hilft uns Reisenden auch heute noch, solche Fotos zu machen, mit denen wir uns schmücken wie die privilegierten Menschen damals.

Oft reproduzieren wir unbewusst Fotos, die auch schon das Weltbild zu Kolonialzeiten geprägt haben. Das zeigt, dass es kaum einen Perspektivenwechsel gegeben hat. Damit reproduzieren wir auch den kolonialen Blick auf die Welt.

Dabei haben wir als Reisende die Chance und auch die Verantwortung, dieses Narrativ zu ändern. Und das funktioniert über Wort und Bild.

Story Time: Mit einem einzigen Schritt schneller bessere Reisefotos machen.

Vor einiger Zeit bekam ich von einem lieben Menschen eine Kamera geschenkt. Sie war komplett mit Tasche und Handbuch und ich war so glücklich und überwältigt, dass ich sie drei Monate lang nicht benutzte. Ich dachte immer, um alle Funktionen voll ausnutzen zu können, müsste ich zuerst das Handbuch lesen. Dazu hatte ich aber natürlich nie Zeit. Der einzige Weg für mich, um mich an eine neue Kamera zu gewöhnen, ist, Fotos damit zu machen.

Denn: Tun kommt vom Tun. Wenn ich zum Beispiel keine Ahnung habe, was ich kochen soll, gehe ich, anstatt lange darüber nachzudenken, in die Küche und fange an, eine Zwiebel zu schneiden. Und bevor ich es merke, habe ich eine komplette Mahlzeit gekocht.

Wenn ich einen Artikel schreiben muss, reicht Recherche nicht aus. Ich muss einfach das Schreibprogramm öffnen und anfangen zu tippen, auch wenn ich nur „Ich weiß nicht, was ich schreiben soll“ schreibe. Das tippe ich dann so lange, bis ich tatsächlich weiß, was ich schreiben soll und einen Artikel geschrieben habe.

Und um mich an eine Kamera zu gewöhnen und meine Fotoskills zu verbessern, muss ich rausgehen und Fotos machen.

Reisevorbereitung: Verantwortungsvolle, kultursensible und respektvolle Reisefotos

Ich habe einen ganzen Artikel zu diesem Thema geschrieben, den du hier findest. Hier sind ein paar praktische Tipps zusammengefasst:

  • Stöbere in der Bildersuche nach Bildern über dein Reiseziel und recherchiere dann, wie Menschen vor Ort ihre Heimat darstellen.
  • Hinterfrage deine Motivation und überlege, warum du fotografierst, was du fotografierst.
  • Achte auf ethische Grundsätze beim Fotografieren von Menschen, der späteren Fotobearbeitung, Beschriftung und Veröffentlichung der Bilder.
  • Auch ein foto-freier Tag ist eine aktive, respektvolle Entscheidung – und ein Achtsamkeits-Experiment, das du auf jeden Fall mal ausprobieren solltest!

🖐Die Big Five der Reiseprivilegien: ein Fazit

Ich hoffe, ich konnte dir die Parallelen von Kolonialismus und Tourismus aufzeigen.

Eine spannende Frage wurde mir bei meinem Vortrag dieser Themen bei JourneyStamps gestellt:

Ist es nicht eine Verbesserung, dass die Big Five nicht mehr gejagt und getötet, sondern “nur noch” fotografiert werden?

Absolut! Trotzdem wünsche ich mir, dass wir diese Parallelen mitdenken. Dass wir wissen, woher die Dinge kommen, die wir als gegeben hinnehmen. Dass wir uns selbst beobachten und aktiv Verantwortung übernehmen.

Warum?

Damit wir nicht weiterhin stereotype Klischees reproduzieren, die reichlich wenig mit der vielseitigen Situation vor Ort zu tun haben.

Damit wir diskriminierungsärmer unterwegs sind.

Damit wir tiefgreifende Begegnungen machen und ganz viel Reisemagie erleben.

Und damit wir schlichtweg das Reisen jeden Tag ein bisschen weiter revolutionieren.

Setzt du dich mit deinen Reiseprivilegien auseinander oder ist dieses Thema neu für dich? Ein erster Schritt wäre, dich tiefgehend vorzubereiten. Das geht zum Beispiel mit dem kostenfreien Reisetagebuch. Teile in den Kommentaren gerne deine An- und Einsichten.

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[…] ist ein Privileg, das nur sehr wenige Menschen auf der Welt haben. Ich erinnere mich bei jeder Reise daran, dass es […]

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