Mein Reise-FuckUp mit verpasstem Visum
Vom Jakobsweg über Kenia nach Indien geht die Reise. Zunächst läuft alles sehr entspannt. Doch dann wird schnell klar, dass man kein Visum bekommt, wenn man allzu entspannt ist.
Hier ist mein Vortrag von der FuckUpNight München zum Nachlesen. Zum Reisetagebuch ans Ende der Seite scrollen.
Inhaltsverzeichnis
Loslassen auf dem Jakobsweg
Es gibt eine Laura vor dem Jakobsweg und eine Laura danach. Die davor war sehr organisiert und durchgetaktet. Und nachdem ich sechs Wochen lang immer in dieselbe Richtung gegangen bin und die einzige Entscheidung des Tages darin bestand, ob ich nun in dieser Herberge bleibe oder bis zur nächsten weiterginge – nach dieser Erfahrung wurde ich etwas entspannter mit der Vorausplanung.
Kontrolle abgeben in Kenia
In Kenia dann direkt im Anschluss durfte ich lernen, noch viel mehr Kontrolle und Vorausplanung abzugeben. Ich war mir zum Beispiel sehr sicher, mich auf keinen Fall mit einem Kenianer einzulassen. Fünf Monate später war ich verlobt.
Die Initiative in Nairobi: Entrepreneur Café
Nach ein paar Jahren Fernbeziehung und Hin- und Her-Reisen lebte ich eine Weile mit meinem Mann in Nairobi und arbeitete als Freelancerin, während er seinen Bachelor fertig machte. Ich startete das Entrepreneur Café, kein lokales Café an sich, sondern ein regelmäßiges Treffen von Gründer*innen und Interessierten. Wir tauschten uns über unsere Herausforderungen und Erfolge aus, erarbeiteten Business Pläne und inspirierten uns gegenseitig.
Die Idee, oder besser, die Bewegung kommt aus Indien, so wie die FuckUpNight eine Idee aus Mexiko ist. Und einmal im Jahr gibt es ein Jahresmeeting, zu dem alle Teilnehmenden aus der ganzen Welt eingeladen sind.
Ich war inzwischen wieder in Deutschland und mein Mann machte da seinen Master. Ich war schwanger mit unserem ersten Kind und erinnere mich noch genau daran, wie ich meinen Mann fragte, ob ich zusagen und das Flugticket buchen sollte. Das Baby wäre dann gerade mal acht Monate alt. Er überlegte kurz und sagte: Ja, lass uns das machen.
Entspannt in Deutschland
Ich organisierte also den Flug und ließ den Rest auf mich zukommen. Immerhin war ich erstmal mit ein paar anderen Dingen beschäftigt.
Ich war wirklich ganz gelassen, was die Reise anging. Ich bekam sogar eine Unterkunft zugesichert, und zwar im Sitz der katholischen Missionare, denn der Taufpfarrer meines Sohnes hatte dahin Kontakte.
Ich plante nichts und hielt alles offen. Eine Woche bei den Pfarrern, ein Wochenende bei den Unternehmer*innen, und dann noch eine Woche. Ich wollte Bangalore einfach auf mich zukommen und wirken lassen und dachte natürlich auch an das Reisen mit Baby.
Zu entspannt: Kriegen wir das Visum rechtzeitig?
Ich war so entspannt, dass ich beinahe das Datum für den Visa-Antrag verpasste. Aber nur fast. Ich reichte alles rechtzeitig ein. Nur leider hatten unsere Passfotos die falsche Größe und ich musste sie nachreichen. Es wurde also langsam knapp. Würden wir die Pässe rechtzeitig zum Abflug bekommen?
Ich rief bei der Behörde an, die die Visa ausstellte. Ich wurde auf den nächsten Tag vertröstet, dann auf den übernächsten. Bald kannte ich unsere zehnstellige Aktennummer auswendig, weil ich jeden Tag viel Zeit in der Telefon-Warteschleife dieser Behörde verbrachte. Mit Baby auf dem Arm, versteht sich. Immer war eine andere Person dran, die auch eigentlich gar nicht zuständig war, und immer musste der ganze Fall wieder von vorne aufgerollt werden… und die Tage bis zum Abflug schmolzen nur so dahin.
Ich bekam mein Visum. Am Tag vor der Abreise kam ein Express-Kurier und brachte mir meinen Pass an die Haustür. Das Visum war im Express-Verfahren in letzter Sekunde erteilt und dann verschickt worden, was beides dieses Visum um einiges teurer machte.
Es kamen aber noch mehr Kosten und Nervenabrieb dazu. Denn mein Mann mit seinem kenianischen Pass bekam sein Visum erst drei Tage nach geplantem Abflug.
Ohne Mann nach Indien
Wir mussten seinen Flug also verschieben und ich flog alleine, mit acht Monate altem Baby und nur Handgepäck in ein mir ungekanntes Land.
Warum ich das gemacht habe? Für mich stand von Anfang an außer Frage, dass ich die Reise auch ohne meinen Mann antrete. Ich hatte eine innere Vorfreude und eine offene Haltung Bangalore gegenüber kultiviert, dass ich mir durch diesen Patzer die Reise nicht verderben ließ.
Und ich bin so froh, es gemacht zu haben. Die katholischen Pfarrer waren unglaublich gastfreundlich und zeigten uns ein par Sehenswürdigkeiten in der Stadt und auch ihre eigenen Einrichtungen. Das Treffen vom Entrepreneur Café war inspirierend und motivierend für meine eigenen Ideen. Und da war mein Mann dann ja auch mit dabei.
Bei einer Gastfamilie in Mysore
Und schließlich verbrachten wir noch einige Tage bei einer Familie in der Kulturhauptstadt Mysore. Über eine Ordensschwester, die ebenfalls bei den katholischen Pfarrern zu Besuch war, kamen wir mit dieser Familie in Kontakt und durften mit ihnen den Alltag verbringen. Die schönen Gespräche in der Küche, die stolzen Fotos mit den beiden Kindern und die Einsichten in die ehrenamtlichen Projekte der Familie möchte ich nicht missen.
Lektion gelernt!
Ich habe drei Dinge gelernt aus diesem ersten gescheiterten Visumsantrag.
- Es braucht eine gute Balance aus Vorausplanung und Gelassenheit für eine Reise. Ich war einfach zu entspannt und habe dadurch Stress mit dem Visum bekommen. Mit etwas mehr Organisation wäre die ganze Reisebürokratie sicher entspannter gewesen. Doch zu viel Vorausplanung nimmt einem auch die Chance auf tiefe Begegnungen und Erlebnisse. Wenn mein Reiseplan durchgetaktet gewesen wäre, hätten wir diese Familie vielleicht nie kennengelernt.
- Es ist wichtig, sich mit den Privilegien vor einer Reise auseinanderzusetzen. Die Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten bestehen, das ist leider eine Tatsache. Eigentlich hätte ich den Vortrag auf der FuckUpNight alleine halten sollen, während mein Mann die Kinder ins Bett bringt. Doch er hat diesmal sein Visum für Deutschland nicht bekommen. Meines für Kenia bekam ich innerhalb eines Tages, ganz entspannt online, einfach, weil ich den „richtigen“ Pass habe. Wenn wir wissen und anerkennen, dass es diese ungleiche Behandlung gibt, können wir auch etwas dagegen tun und zumindest respektvoller reisen.
- Es ist Zeit, das Reisen anders anzugehen. Entspannter – und gleichzeitig besser vorbereitet. Wer achtsam und privilegienbewusst reist, macht auf einer Reise Erfahrungen, die unter die Haut gehen und lange nachwirken. So begegnen wir Menschen und Kulturen endlich auf respektvolle und einfach menschliche Art und Weise, sodass alle von einer solchen Begegnung profitieren können. So entstand das Achtsam Reisen Festival und meine tiefergehende und verantwortungsvollere Art, Menschen auf ihre nächste Reise vorzubereiten.
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[…] Clarkes Buch „You are here. A mindful travel journal.“ Das habe ich dann für meine Indienreise verwendet. Ein Vorher-Nachher-Video siehst du […]
Liebe Laura! So ein spannender Artikel! Ich konnte gar nicht aufhören zu lesen. Du bist sehr mutig, dass du dich traust, alleine mit Handgepäck und Baby so eine abenteuerliche Reise anzutreten. ich war früher wochenlang mit Rucksack in den verschiedensten Ländern auch alleine am Weg. Es hat mich ein bisschen in diese Zeit zurück versetzt. Vielen lieben Dank
Barbara
Liebe Barbara,
freut mich, dass du den Artikel gerne gelesen hast. So viel Mut brauchte es eigentlich gar nicht. Ich musste mir weit weniger erarbeiten mit meinem deutschen Pass als so manch andere Person. Aber ja, mit Kindern ist das Reisen einfach anders. (Wenn sie so klein sind, ist es eigentlich noch am einfachsten!) Aber ich freue mich auch darauf, eines Tages mal wieder ganz alleine oder nur mit meinem Mann zu verreisen.
Liebe Grüße,
Laura.
Liebe Laura,
das ist ja wirklich mal ein spannender Artikel und eine ganz schön nervenaufreibende Zeit, die du da durchgemacht hast. Ich finde es sehr mutig, dass du das alles gerockt hast. Es scheint, als hättest du einige Learnings daraus gezogen und ich bin mir sicher, nächstes Mal wird es viel entspannter.
Liebe Grüße,
Luisa
Liebe Laura,
was für ein Abenteuer und traurig zu lesen, dass nicht alle Reisepässe gleich sind!
Liebe Grüße
Jaconette
Danke, liebe Jaconette! Ja, das ist leider so. 🙁
Wow! Wie spannend! Du bist echt mutig, und sind nicht die ungeplanten Dinge meistens die Schönsten? 😉 Lg, Meike
Das stimmt, liebe Meike! Seitdem achte ich immer darauf, genug freie, unverplante Zeit auf Reisen zu haben, „to let the magic happen.“
Und auch wenn es sich mutig liest, und ich das Kompliment gerne annehme, ist es doch auch einfach meinen Privilegien geschuldet, diese Reise gemacht zu haben.
[…] Einen Artikel über meine Reise alleine mit Kind und Handgepäck nach Indien. […]
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[…] wird. Das wird deine Reise auf jeden Fall bereichern und die Erfahrungen vertiefen, egal ob du nach Indien oder Italien […]
[…] zu tragen. Aber natürlich waren sowohl das Klima als auch die Kleiderordnung ganz anders als in Indien, wo dieses Kleidungsstück eine ganz andere Rolle […]
[…] einigen Jahren war ich mit Baby (und später auch mit meinem Mann) für zwei Wochen in Indien, für eine Veranstaltung in Bangalore. Untergekommen sind wir bei katholischen Pfarrern, die wir […]
[…] durfte außerdem bei den Events von JourneyStamps und FuckUpNight jeweils als Speakerin dabei […]